Unerwartete Orte für Leben
27.04.2023
Erdgroße Monde mit dichter Atmosphäre von freifliegenden Planeten verfügen über Wasser, hat ein interdisziplinäres Wissenschaftlerteam herausgefunden. Die Wassermenge reicht aus, um chemische Prozesse anzustoßen, die zu Leben außerhalb von Planetensystemen mit Zentralgestirn führen können.
Auf früheren Studienergebnissen schließt der Forschungsverbund „Origins“, dass die mögliche Wassermenge auf der Oberfläche dieser sogenannten Exomonde einen Bruchteil des Gesamtvolumens aller irdischen Ozeane ausmacht. Die Menge reiche aus, um chemische Prozesse zu ermöglichen, die Leben ermöglichen.
Statt einer Sonne können Gezeiten als Energiequelle dienen. Verdunstung und Kondensation sorgen für chemische Reaktionen, die Molekülanhäufung und Polymerisation von RNA, also erste Schritte der Evolution begünstigen können.
Bislang wurde die habitable Zone als ringförmiger Bereich um eine Sonne (=Energiequelle) definiert – so wie der Planet Erde, auf dem genau die richtige Temperatur, weder zu heiß noch zu kalt, für die Entstehung von (flüssigem) Wasser herrscht.
Planetenentstehung revidiert
Die Entdeckung freifliegender Planeten in der Milchstraße mit dichter Atmosphäre veranlasste die Wissenschaftswelt, ihre Theorien zur Planetenentstehung zu revidieren. Die Wanderer wurden vermutlich aus ihren Planetensystemen herausgeworfen. Aufgrund ihrer Schwerkraft haben sie ihre Monde, die auf engen Umlaufbahnen um sie kreisen, mitgenommen.
Bereits in einer früheren Studie berichtete das Origins-Team, dass erdgroße Monde um jupiterähnliche Planeten über flüssiges Wasser verfügen. Nun konnten die Wissenschaftler mittels eines Modells die Eigenschaften von Monden um freifliegenden Planten ermitteln, um flüssiges Wasser möglichst lang zu speichern und Leben zu ermöglichen: Kandidaten für lebensfreundliche Welten sind vor allem erdgroße Monde mit venusähnlichen, also dichten Atmosphären, die kleine Abstände zu ihrem Planeten haben.
Reibungshitze
Ein gutes Beispiel hierfür ist der sechste Saturnmond „Enceladus“, dessen Oberfläche von Eis bedeckt ist. Die Erkenntnisse über ihn verdanken die Planetenforscher der Raumsonde Cassini, die bis auf 25 Kilometer an Enceladus vorbeiflog. Die Sonde hat unter dem Eis nicht nur vulkanische Aktivität registriert, ihre Fotos und Messdaten ließen auch auf einen globalen Ozean aus Wasser, auf Gase wie Wasserstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Methan, organische Substanzen, Geysire und eine dünne Wasserdampf-Atmosphäre schließen.
Während das Eis von Enceladus dessen Oberfläche auf minus 215 Grad herunterkühlt, liegt die Temperatur des darunter liegenden Ozeans um den Gefrierpunkt. Eigentlich müsste dieser Saturnmond mit seinem Durchmesser von ca. 500 Kilometer und einer Fläche vergleichbar der Pakistan sehr schnell erkalten. Dem ist aber nicht so. Die Wissenschaftler vermuten, dass sein Ozean und die Reibungshitze ihn „warm“ halten.
Lebensräume für Organismen
„Die Entdeckungen auf Enceladus hat die Planetenforschung verändert“, meint die an der Cassini-Mission beteiligte Wissenschaftlerin Linda Spilker vom Jet Propulsion Labor der Nasa. Auf dem winzigen Saturnmond könnten Lebensräume entstanden sein, in denen Organismen gedeihen können, die vom Sonnenlicht abgeschnitten sind.
Denn Nachweis von Leben im Enceladus-Ozean konnte Cassini nicht mehr liefern. Die Sonde hat ihre Mission am 15. September 2017 „beendet“, sie ist kontrolliert beim Eintritt in die Saturn-Atmosphäre verglüht. Die Treibstoffvorräte waren aufgebraucht. Wäre diese Entdeckung gelungen, hätte sie zu den sensationellsten aller bisherigen Missionen gehört.
Eine ähnlich aufwändige und teure Planetenmission ist in naher Zukunft bedauerlicherweise nicht zu erwarten.
Neueste Beiträge
- Fossile CO₂-Emissionen erreichen Rekordhoch 27. November 2024
- Von KI erschaffen – Personen, die nicht existieren 23. Oktober 2024
- ChatGPT: keine Anzeichen für intelligentes Verhalten 17. September 2024
- Schlaues Vogelhirn: Nervenzellen zählen, nicht die Größe 31. Juli 2024
- Quantensensoren heben Messtechnik auf neues Niveau 27. Juni 2024
- Archäologie: digitale Methoden für antikes Puzzle 15. Mai 2024
- Windradausbau: Zielkonflikte und fehlende Moderation 18. April 2024
- Baby-Rap – Quietschen und Brabbeln in der Muttersprache 15. März 2024
- Steppennomaden vererbten Gene für Multiple Sklerose 27. Februar 2024
- Kernfusion: Energierekord, aber (noch) kein Energiegewinn 8. Februar 2024