Quantensensoren für noch präzisere die Messtechnik.
Quantenmechanische Systeme reagieren extrem empfindlich auf kleinste Störungen bzw. äußere Einflüsse. Deren Eigenschaften bilden die Grundlage neuartiger Sensoren, die winzige Änderungen physikalischer Größen messen können. Damit könnten Prothesen Muskelsignale erfassen und die beabsichtigten Bewegungen unterstützen.
Illustration: Bing Image Creator

Quantensensoren heben Messtechnik auf neues Niveau

27.06.2022

Forscher entwickeln Quantensensoren, um winzige Änderungen von Magnetfeldern, Druck oder Beschleunigung zu messen. Ein vielversprechendes Anwendungsgebiet ist die Medizintechnik: Mit Präzisionssensoren auf Basis von Quantensystemen könnten Prothesen gesteuert oder Vorhofflimmern, Schlaganfallrisiko oder Krankheiten frühzeitig erkannt werden.

Dabei machen sich die Forscher die Tatsache zunutze, dass quantenmechanische Systeme extrem empfindlich auf kleinste Störungen bzw. äußere Einflüsse reagieren. Ein Beispiel für ein solches System sind sogenannte Quantenbits (Qubits), die in mehreren Zuständen gleichzeitig existieren können: Mit einer Messung können zwei verschiedene Zustände und damit Energieniveaus sicher unterschieden werden.

„Die Messgröße verändert dabei den Abstand der Energieniveaus. Nach Planck entspricht diese Energieänderung einer Frequenzänderung der vom Qubit absorbierten Photonen“, erklärt Jens Anders, Leiter des Instituts für Intelligente Sensorik an der Universität Stuttgart.

„Die hohe Genauigkeit der Quantensensoren resultiert einerseits daraus, dass die Energieniveaus oft sehr empfindlich auf die Messgröße reagieren, und andererseits daraus, dass wir Frequenzänderungen unglaublich genau auslesen können.“

Derzeit entwickelt Anders’ Institut mit Partnern aus Wissenschaft und Industrie skalierbare Quantensensoren (Q-Sensoren). Die Beteiligten sind Teil des Zukunftsclusters QSens, das ein Innovationsökosystem für Quantensensorik schaffen will, um die Kommerzialisierung entsprechender Produkte voranzutreiben.

Präzisere Bildgebung

Es gibt verschiedene Arten von Quantensensoren, die jeweils unterschiedliche physikalische Größen wie Rotation, Temperatur, Beschleunigung oder Magnetfelder sehr präzise messen können. Weltweit tüfteln zahlreiche Forschungseinrichtungen und Industrieunternehmen an praktischen Anwendungen: Erste Prototypen werden u.a. in der Medizin, der Navigation und der Umweltüberwachung getestet.

Sogenannte Festkörper-Quantensensoren sollen beispielsweise Nervenimpulse in Prothesen erfassen und die errechneten Werte in Bewegungen umsetzen oder bessere Gehirn-Computer-Schnittstellen ermöglichen. Dabei stehen die Wissenschaftler vor einer Reihe von Herausforderungen. So sind die Magnetfelder des Gehirns winzig:

„Sie weisen Feldstärken im Bereich von einigen zehn Femtotesla auf. Das entspricht ungefähr dem Milliardsten Teil des Erdmagnetfelds“, erläutert Jens Anders.

Defekte in Diamanten

Diese Art von Q-Sensoren nutzt Defekte in Kristallen, z.B. Stickstofffehlstellen in Diamanten, die als mikroskopische Kreisel auf Magnetfelder, Druck oder Temperaturänderungen reagieren können, was sie zu vielseitigen Sensoren macht. Gase haben zwar bessere Quanteneigenschaften, lassen sich aber nicht so leicht in entsprechende Massenprodukte integrieren. Dagegen lassen sich Festkörperdefekte sehr gut integrieren. „Auch wenn sie“, wie Jens Anders hinweist, „die etwas schlechteren Sensoren sind“.

Besonders vielversprechend sind die Fortschritte in der Medizintechnik: In der Magnetresonanztomographie (MRT) könnten sie die Bildqualität und Auflösung auf ein höheres Niveau heben. Nervenimpulse, Hirnströme und Muskelsignale könnten ohne Hautkontakt erfasst werden. Dies würde zeitaufwändige Diagnoseverfahren ersetzen und den Patientenkomfort deutlich erhöhen.

Miniaturisierte diamantbasierte Quantensensoren
Miniaturisierte diamantbasierte Quantensensoren: Im Vergleich zu einer 2-Cent-Münze ist der CMOS-Chip (obere Komponente) winzig. Dieser kontrolliert die Elektronenspins in Diamanten. Der untere Chip misst die magnetische Kernresonanz.
Foto: Uli Regenscheit/Uni Stuttgart

Festkörper-Quantensensoren kommen auch in Frage, um Biomarker oder freie Radikale im Blut präzise zu quantifizieren. Denn die Konzentration bestimmter freier Radikale korreliert direkt mit verschiedenen Krankheitsbildern. Damit, so die Hoffnung, könnten Krankheiten frühzeitig erkannt werden, noch bevor Symptome auftreten – was einen frühzeitigen Therapiebeginn ermöglichen würde.

Umweltüberwachung

Auch in der Umweltüberwachung können sie eingesetzt werden, um Schadstoffe in der Luft oder im Wasser mit bisher unerreichter Genauigkeit zu messen. Und auch die Erkundung unterirdischer Rohstoffvorkommen wäre mit empfindlicheren Magnetfeldsensoren möglich.

In der Industrie sollen Quantensensoren Partikel analysieren und deren Geschwindigkeit messen, was eine deutlich bessere Prozesssteuerung und Qualität ermöglichen würde. Schließlich wären präzisere Navigations- und Positionierungssysteme für Fahrzeuge, Drohnen und Satelliten durch Quantensensoren als Dreh- und Beschleunigungssensoren möglich.

Vorteile von Quantensensoren:

  • Hohe Empfindlichkeit: Sie können extrem schwache Signale detektieren.
  • Präzision: Sie bieten eine Genauigkeit, die weit über der klassischer Sensoren liegt.
  • Vielfältige Anwendungen: Von der Medizintechnik über die Materialwissenschaften bis hin zur Navigation gibt es zahlreiche Einsatzmöglichkeiten.

Wie bei jeder Technologie gibt es auch Nachteile:

  • Komplexität: Die Technologie ist sehr komplex und erfordert ein tiefes Verständnis der Quantenphysik.
  • Kosten: Die Herstellung und Implementierung von Quantensensoren ist derzeit noch sehr teuer.
  • Stabilität: Die Quantenzustände sind äußerst empfindlich gegenüber Störungen, was ihre Handhabung erschwert.

Dennoch Experten rechnen damit, dass in den nächsten fünf Jahren die ersten kommerzielle Quantensensoren auf den Markt kommen. Auf den Weg dorthin gibt es für Forscher und Ingenieure einige Aufgaben zu lösen:

  • Miniaturisierung und Integration: Eine Herausforderung besteht darin, Q-Sensoren zu miniaturisieren und zu integrieren. Ziel ist es, Quantensysteme in kompakten, robusten Geräten nutzbar zu machen. Dazu müssen elektronische und optische Komponenten direkt in die Atomfallen integriert werden.
  • Skalierbarkeit und Fehlertoleranz: Für viele Anwendungen werden Quantensensoren mit einer großen Anzahl von Qubits benötigt, die fehlertolerant und skalierbar sind. Dazu sind bessere Materialien mit geringeren Fehlerraten und skalierbare Architekturen erforderlich. Die Fehlerkorrektur und Fehlertoleranz der Qubits stellt eine zentrale Hürde dar.
  • Co-Design von Hard- und Softwar: Hardware und Software für Quantensensoren müssen als Einheit betrachtet und gemeinsam entwickelt werden.
  • Verifizierung: Mit zunehmender Leistungsfähigkeit der Quantensensoren wird die Verifizierung, also die Sicherstellung der korrekten Funktionsweise, zur Herausforderung.
  • Quanteningenieure: Der Mangel an Fachkräften, die sowohl die theoretischen Grundlagen als auch die praktische Umsetzung der Quantentechnologien beherrschen, könnte die Entwicklung verzögern. Deshalb muss eine neue Berufsgruppe, die der Quanteningenieure, ausgebildet werden.

Weiterführende Informationen

Bundesministerium für Bildung und Forschung: Clusters4Future
DLR: Institut für Quantentechnologien
Uni Rostock: Quantentechnologie
Physikalisch-Technische Bundesanstalt: Optische Magnetometrie
TU Braunschweig: Quantentechnologien

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