Leben in leerstehenden Warenhäusern
13.01.2025
Geschlossene Einzelhandelsgeschäfte oder Kaufhäuser gehören seit einiger Zeit zum Bild deutscher Innenstädte. Kreative Nutzungsideen sind gefragt, denn die Gebäude bieten großes Potenzial für die Stadtentwicklung. Eine aktuelle Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) zeigt, wie Mischkonzepte aus Kultur, Bildung und Forschung, Coworking Spaces, Gastronomie, Einzelhandel und Wohnen verödeten Stadträumen neues Leben einhauchen können.
Derzeit stehen in deutschen Städten Einzelhandelsgeschäfte und Warenhäuser leer, weil verschiedene Faktoren zusammenwirken: Zum einen hat die Pandemie viele Geschäfte geschwächt und zu Schließungen geführt. Auch die Inflation spielt eine Rolle, da sie die Kaufkraft mindert. Außerdem gibt es Lieferengpässe, so dass manche Waren gar nicht erhältlich sind.
Ein weiterer wichtiger Faktor ist der zunehmende Online-Handel, der den stationären Einzelhandel immer mehr zusetzt. Viele Verbraucher haben sich daran gewöhnt, im Internet zu bestellen und sich die Ware nach Hause liefern zu lassen. Das veränderte Kundenverhalten zeigt sich dann im Stadtbild: Leerstände in Innenstädten wirken auf Konsumenten eher abschreckend. Und so kann es sein, dass vor allem in den Abendstunden, Innenstädte verwaisen.
Leerstände sind keine neue Entwicklung, schreiben die Autoren der BBSR-Studie: „Seit Mitte der 1990er Jahre hat sich im Segment der Warenhäuser der aktuelle Bestand auf ein Viertel reduziert. Aufgrund der anhaltend dynamischen Entwicklungen des Onlinehandels und rückläufiger Verkaufsflächen ist nicht auszuschließen, dass perspektivisch weitere Kauf- und Warenhausimmobilien leerstehen werden.“
Gebäudeerhalt ist umweltfreundlicher
Früher wurden alte Gebäude abgerissen und durch Neubauten ersetzt. Inzwischen hat ein Umdenken eingesetzt: Denn der Erhalt und die Umnutzung bestehender Gebäude können zu mehr Nachhaltigkeit im Bausektor beitragen.
„Der Erhalt der Gebäude schont vorhandene Graue Energie und schützt wertvolle Baukultur, denn Kauf- und Warenhäuser spiegeln soziokulturell und konsumsoziologisch bedeutsame Epochen der deutschen Wirtschafts- und Architekturgeschichte wider“, heißt es in der Studie.
Ein weiterer wichtiger Faktor kommt nach Ansicht der Wissenschaftler hinzu: Die Umnutzung der Kaufhäuser biete die Chance, Stadträume wieder neu zu gestalten. „Innenstädte waren nie nur reine Konsumstätten, sondern nutzungsgemischte und von Innovationen geprägte Standorte für Leben und Arbeit, die als öffentliche Räume und Treffpunkte der Stadtgesellschaft fungierten. Nutzungsgemischte Gebäude und Innenstadtzentren sind daher nichts grundsätzlich Neues, sondern vielmehr eine Rückbesinnung auf die Stärken der traditionellen europäischen Stadt.“
Fallbeispiele
Anhand von zwölf Steckbriefen und sechs Fallbeispielen zeigt die Studie, wie die baulich-funktionale Umbau von Gebäuden gelingen und neues Leben in zentralen Lage gebracht werden kann. Die realisierten Umnutzungen reichen von Büro und Dienstleistung über Kultur, Freizeit und Bildung bis zu Wohnen, Hotel und Pflege und Gesundheit. Beispiele hierfür sind u.a:
„StadtQuartier Schlossstraße“ in Mülheim/Ruhr: Das ehemalige Kaufhof-Warenhaus wurde zu einem Wohn- und Geschäftsquartier umgeformt.
„Kaufhaus Schocken“ in Chemnitz, europäische Kulturhauptstadt 2025: Das Gebäude aus der Bauhaus-Ära wurde denkmalgerecht saniert und beherbergt heute das Museum für Archäologie (smac). Es wurde in den Jahren von 1929-30 vom Pionier der „Stromlinien-Moderne“ Erich Mendelsohn entworfen.
„Patentrezepte für Umnutzung gibt es nicht. Nutzungskonzepte sind standortspezifisch zu entwickeln, wenn sie das bestehende Nutzungsgefüge sinnvoll ergänzen und positive Synergien mit der unmittelbaren Umgebung, aber auch innerhalb des Gebäudes erzeugen sollen“, lautet das Fazit der Studie.
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