Historischer Eisverlust in den Alpen seit 1964
Historischer Eisverlust in den Alpen seit 1964
24.08.2022
Während die Menschen in Europa über extreme Hitze und Dürre klagen, spielt sich in den Alpen ein stilles Drama ab: Dieses Jahr, stellt Christoph Mayer, Glaziologe an der Bayerischen Akademie Wissenschaften, fest, wird dasjenige mit dem höchsten Eisverlust seit Beobachtungsbeginn im Jahr 1964 sein.
Während die Menschen in Europa über extreme Hitze und Dürre klagen, spielt sich in den Alpen ein stilles Drama ab: Dieses Jahr, stellt Christoph Mayer, Glaziologe an der Bayerischen Akademie Wissenschaften (BAdW) fest, wird dasjenige mit dem höchsten Eisverlust sein seit Beobachtungsbeginn im Jahr 1964.
Besonders gut ist dies beim Vernagtferner in den Ötztaler Alpen (Tirol, Österreich) dokumentiert. Mit 7,31 km² ist er (noch) einer der größten Gletscher der Ostalpen – und einer der am besten erforschten. Die Forscher untersuchen seit Jahrzehnten seine Massen- und Energiebilanz. Ihre Messergebnisse weisen kontinuierlich in eine Richtung: Seit 32 Jahren schmilzt durchgehend das Eis auf dem Gipfel des Vernagtferners. 2003 betrug der mittlere Verlust 2,4 Meter Eisdicke, 2018 lag der Verlust bei 1,6 Meter.
Dieser Verlust ist mit dem bloßen Auge sichtbar: Der Vergleich der Messungen vom 26. Juli 2018 (Bild links) und 26. Juli 2022 zeigt, dass diesen Sommer die Schneefelder deutlich weiter abgeschmolzen sind als vor vier Jahren. Der Eisverlust beträgt dieses Jahr 2,55 Meter. „Die Schmelzintensität ist ähnlich wie vor 4 Jahren, aber die Eisschmelze hat zweieinhalb Wochen früher eingesetzt“, meint Christoph Mayer. Er geht davon aus, dass die Schmelzsaison bis Mitte September dauern wird. Seine Schlussfolgerung: Es zeichnet sich ab, dass das Jahr 2022 zu einem Rekordeisverlust seit Beginn der Aufzeichnungen führen wird.
Schneekern verloren
So wie es aussieht, lässt sich der Prozess nicht mehr aufhalten. Denn es bräuchte kühlere, feuchtere Klimabedingungen, also schneereiche Winter, damit der Vernagtferner seinen verlorenen Firnkörper (damit ein Schneekern gemeint, der älter als ein Jahr ist) wieder aufbauen kann. Aufgrund des unaufhaltsamen Klimawandels ist eine solche Aufbaubewegung allerdings nicht in Sicht.
Wenn sich der Gletscher immer weiter vom Hochplateau (2793 – 3631 m) zurückzieht, folgt der nächste Akt des Dramas. Denn seine Eismassen sind es, die die Kammlagen von Weißkugel (3738m) und Wildspitze (3768) stützen. Ist der Untergrund erst aufgetaut, werden aufgrund von Erosion Geröllpfeiler zusammenfallen und Felsplatten abstürzen. Dann dürften diese Gegenden vorerst nicht mehr begehbar sein.
Auch in der Schweiz melden Forscher der ETH Zürich einen historischen Eisverlust durch die Erderwärmung. Aufgrund von Datenvergleichen und Rekonstruktionen der Topographie der Schweizer Gletscher schließen sie, dass sich deren Volumen in den vergangenen 80 Jahren halbiert hat.
Wie die Schweizer Wissenschaftler 1938 bei der Feldarbeit vorgingen, zeigt dieses Video hier.
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