Baby-Rap - Quietschen und Brabbeln in der Muttersprache
15.03.2024
Dass Neugeborene verschiedene Sprachen unterscheiden können, ist schon länger bekannt. Doch schon mit dem ersten Schrei kommunizieren sie in ihrer Muttersprache, berichtet Kathleen Wermke. Die Verhaltensbiologin und Professorin an der Universität Würzburg hat ihre Erkenntnisse über die Fähigkeiten von Kleinkindern jetzt in ihrem neuen Buch „Babygesänge“ veröffentlicht.
Französische Säuglinge haben einen „Akzent“, Babys aus Kamerun singen. Die Melodiekontur französischsprachiger Babys verläuft von tief nach hoch. Babys deutschsprachiger Mütter weinen dagegen mit einer fallender Melodie, also von hoch nach tief. Mandarin hat vier Tonhöhen. Bei den Nso, einem Volk im Nordwesten Kameruns, gibt es acht Tonhöhen plus spezifische Tonhöhenverläufe. Das Weinen der Nso-Babys klingt daher wie ein Singsang.
„Da die Variationen in der Melodiekontur nicht durch Unterschiede in der Anatomie des Kehlkopfes oder der Physiologie der Stimmproduktion erklärt werden können, scheint die Prosodie, wie die Sprachmelodie in der Fachsprache genannt wird, in der Umgebungssprache zu liegen“, erklärt die Leiterin des UKW-Zentrums für vorsprachliche Entwicklung und Entwicklungsstörungen an der Uni Würzburg.
Spracherwerb beginnt im Mutterleib
In früheren Studien haben Forscher bereits nachgewiesen, dass Neugeborene verschiedene Sprachen unterscheiden können – lange bevor sie spezifische Merkmale wie Konsonanten, Vokale oder Silben wahrnehmen können. Kathleen Wermke zeigte in ihren Studien, dass bereits die ersten Schreie von Babys Merkmale der jeweiligen Muttersprache aufweisen.
Babys werden schon vor der Geburt durch die Sprechmelodie der Mutter geprägt. Die Grundlage für den Spracherwerb wird im letzte Drittel der Schwangerschaft gelegt: Die Föten nehmen Rhythmus und Melodie der Muttersprache wahr und erkennen die Stimme ihrer Mutter.
Nach der Geburt ahmen die Säuglinge diese Melodiemuster nach, indem sie ihre Gefühle und Bedürfnisse durch Weinen, Gurren, Brabbeln, Quieken oder Schreien ausdrücken. Auf diese Weise bauen sie, laut der Verhaltensbiologin, eine Bindung zur Mutter und zur Gemeinschaft auf.
Entwicklungsstörungen erkennen
„Ich bin überzeugt davon, dass ein besseres Verständnis der Babygesänge helfen kann, die physischen und kognitiven Anstrengungen wertzuschätzen, die Babys vollbringen, um mit ihrer Umwelt akustisch in Kontakt zu treten und eine emotionale Bindung zu Bezugspersonen über die Stimme herzustellen“, betont Kathleen Wermke.
Die Grundlagenforschung trägt dazu bei, den Prozess des Spracherwerbs besser zu verstehen und damit mögliche Entwicklungsstörungen zu erkennen. Sie dient auch dazu, Kinder mit angeborenen Fehlbildungen (Lippen-Kiefer-Gaumenspalte) oder Hörstörungen besser zu unterstützen.
Wenn Ihr Baby weint oder schreit, hören Sie einfach zu, empfiehlt die Forscherin: „Akzeptiert, dass diese Gefühlssprache der Weg zur Sprache ist!“
Publikationen von Prof. Wermke finden sich hier und hier.
Neueste Beiträge
- Fossile CO₂-Emissionen erreichen Rekordhoch 27. November 2024
- Von KI erschaffen – Personen, die nicht existieren 23. Oktober 2024
- ChatGPT: keine Anzeichen für intelligentes Verhalten 17. September 2024
- Schlaues Vogelhirn: Nervenzellen zählen, nicht die Größe 31. Juli 2024
- Quantensensoren heben Messtechnik auf neues Niveau 27. Juni 2024
- Archäologie: digitale Methoden für antikes Puzzle 15. Mai 2024
- Windradausbau: Zielkonflikte und fehlende Moderation 18. April 2024
- Baby-Rap – Quietschen und Brabbeln in der Muttersprache 15. März 2024
- Steppennomaden vererbten Gene für Multiple Sklerose 27. Februar 2024
- Kernfusion: Energierekord, aber (noch) kein Energiegewinn 8. Februar 2024